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»Ich forsche«, sagte ich. »Ich baue nicht.«

Marlene Streeruwitz

Der Autor ist nicht die Autorin

Veröffentlicht am 04.12.2019

FR

Der Autor ist nicht die Autorin. Der auteur ist nicht »une femme auteur«. Ist nicht l’autrice. La plume. La romancière. L’auteure.


Wenn nach Foucault der Autor dem Helden nachfolgend seinem Text vorangeht. Wenn der Text dann zu jenem Raum wird, der vom Autor erschrieben den Tod des Autors bewirkt, dann ist der Autor der Verbrecher, der der Held immer war, indem er durch seine Person und sein Werk jene Verhältnisse bestätigte, die darüber bestimmten, wem in der gesellschaftlichen Vereinbarung von Schuldner und Gläubiger die Schulden erstattet werden. Frauen können nicht Gläubiger sein. Gläubigerinnen schon gar nicht. Die Autorin muß also erst lernen, den Helden nachzustellen, um überhaupt in die Nähe einer Gläubigerinstanz zu kommen. Danach muß sie lernen, im Text der Hegemonie ausgelöscht zu werden, um zu der Erkenntnis durchzustoßen, wie sie um ihre Gläubigerinnenrechte geprellt schon als Gläubiger nicht akzeptiert wird. Die Autorin wird die Vielstufigkeit der Hegemonien durchlaufen haben müssen, um der eigenen Stimme auf die Spur zu kommen. Sie wird sich in keinem Augenblick dieses Durchlaufens der kulturell stimmengebenden Hierarchien so selbst dafür verurteilt haben dürfen, daß ihr dann alle Töne verbraucht sind. Die Autorin wird ihren Schrei rettend die Vernichtungsräume der hegemonialen Kultur durchlaufend ertragen haben müssen, zu keinem Zeitpunkt eine Wahrheit zugestanden bekommen zu haben. Die Autorin wird zur Rettung ihres Schreis den Vernichtungsraum des Texts nachgebaut haben müssen, um die Erstickung ihres Schreis studieren und begriffen haben zu können. Im Vorgang des Verschwindens wird sie erkannt haben können, daß es genau der Bau einer solchen Kammer ist, der tötet. Die Autorin wird, wenn sie noch Zeit hat, in die Zeit entkommen können. Die Autorin wird feststellen, daß wie im realen Leben die Zeit der einzig bestimmende Faktor sein kann. Die Autorin, wenn sie noch die Kraft hat, wird alle Mittel des Literarischen in einer großen Geste aus dem Häuschenbau des Werks befreien und in die Zeit preisgeben. Die Autorin wird dann Gläubiger und Gläubigerin sein und Gerechtigkeit geben und nehmen können.


Ganz im Sinn der erlernten Denkform des Häuschenbauens als Raumkonzept des Denkens ist auch die obenstehende Beschreibung klar und als Blaupause zum Nachbau gedacht. Diese Art des Denkens und Schreibens zieht nicht die Wirkung der Zeit in Betracht. Im Gegenteil. Die Zeit wird während des häuschenbauerischen Denkens künstlich stillgestellt. Wir haben deshalb keine Möglichkeit, das Ineinandergreifen der Prozesse in der Zeit wiederzugeben. Der Vorgang eines solchen Prozesses der Durcharbeitung ist...

  • Autorschaft
  • Literatur
  • Politik
  • Feminismus

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Marlene Streeruwitz

in Baden bei Wien geboren, ist eine österreichische Schriftstellerin und Regisseurin. Ihr umfangreiches Werk umfasst Theaterstücke, Hörspiele, Essays und Romane. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Zuletzt erschienen sind Das Wundersame in der Unwirtlichkeit. Neue Vorlesungen (2017) und ihre Romane Yseut (2016) sowie Flammenwand (2019).
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