Die Geschichte der Kultur und der Medien im 20. Jahrhundert ist eine Geschichte der Kultur-Idolatrie und, damit eng verknüpft, des Passivitätsverdachts. Kultur-Götter wie der klassische Hollywood- und der ihn seit den 50er Jahren ablösende Pop-Star sind, so die Passivitätskritiker, genauso wie ihre medialen Priester mitverantwortlich für die Verführung und (Selbst)Entmündigung des Rezipienten. Zugehörige Schlüsseldiskurse liefern sowohl das Bildungsbürgertum als auch die kritische Theorie. Wie sich die zugehörigen Menschenbilder und darauf reagierende »Befreiungsstrategien« aus diesem Verdachtsmoment heraus bis heute entwickelt haben, wird besonders gut in den popkulturellen Spielformen der Konstruktion von Identität sichtbar.
Der klassische Hollywood-Star war als eine Figur angelegt, zu der die Rezipienten ein Verhältnis des Begehrens entwickeln sollten, das mit klaren hierarchisch verteilten Rollen verbunden war. Die Fotografien der 1930er Jahre, etwa eines George Hurrel, die entscheidend zum Begriff des Stars beigetragen haben, konstruieren die von ihnen Porträtierten als engelhafte, übernatürliche Wesen, umgeben von Aureolen und anderen ausgestellt artifiziellen Lichteffekten, die sich in einem Lebensraum aufzuhalten scheinen, der dem von Göttern gleicht. Zugleich steht dieser olympische abgehobene Ort in einem Verhältnis zu einem in der gleichen Zeit entstandenen irdischen Image des Stars, das in den legendären Klatschkolumnen wie der von Louella Parsons und anderen, ebenfalls verstärkt seit den 1930er Jahren, entwickelt wird. Dieses kann nun entweder im Modus des Gegensatzes bieder oder skandalös ausfallen oder auch, wie im Falle Greta Garbo, das von Film und Starfotografie verbreitete Bild bestätigen; in jedem Fall aber entsteht erst durch diese Doppelung des öffentlichen Bildes die Hermetik des alten Starbegriffs. Erst die gut eingespielte Zusammenarbeit von Hagiographie und Klatsch sorgte für eine sorgfältig abgedichtete Welt, die der von Königen, Adligen und politischen Führern glich und den Rezipienten die Rolle des unterwürfig Verehrenden und Begehrenden zuwies. Diese Konstellation konnte den zweiten Weltkrieg gerade noch überleben, wurde aber in den neu geordneten Kulturindustrien des Fernseh- und Pop-Zeitalters überarbeitet.
Der Hollywood-Star und die für ihn geschaffenen Rezeptionsdispositive, das dunkle Kino, die mit künstlichem Licht oder kalifornischer Sonne überbeleuchteten Bilder, die Zeitschriften und Fan-Clubs hatten von jeher eine Kritik auf den Plan gerufen, die Hollywood Passivierung vorwarf; ein Vorwurf, der ebenso von links im Namen von unterworfenen Arbeitern und Ladenmädchen wie von Seiten bürgerlicher Positionen und ihrer Bildungsideale erhoben wurde. Bildung, Erziehung im Zeitalter von Kulturindustrie und Massenkulturen muss mehr noch als ihre historischen Vorläufer nicht so sehr die Unbildung und das Nichtwissen bekämpfen. Ihr Feind ist häufiger noch die Fehlbildung und das falsche Wissen, in der kritischen Variante: das falsche Bewusstsein. Auch schon vor den schnell erreichbaren, zu schnell zufrieden stellenden Massenmedien hatte es dieses Problem gegeben. Ästhetische Erziehung, spätestens im bürgerlichen Sinne, wollte ja keine Erziehung zum Konsum sein, zum bloßen Genuss der Künste, wie es ein dekadenter Adel vorgelebt hatte. Daher mussten Bürgerkinder nicht lernen, zu genießen, sondern selber zu produzieren oder doch zu reproduzieren. Das Ideal einer Kunst, die aus Texten bestand, die man nicht einfach aufnehmen, sondern dadurch in den eigenen Besitz bringen sollte, dass man sie aktiv auswendig lernt, reproduziert, nachspielt, wurde...